28. Januar 2022
Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Gemeindepflegehaus Mauer,
als Brigitte R. im Mai 2019 in den Wohnbereich Odenwald einzog machte sie gerade eine sehr anstrengende und für sie selbst lebensverändernde Zeit durch. Mehr und mehr verschwanden, zunächst unbemerkt, feste Orientierungspunkte in ihrem Leben. Sie machte sich auf den Weg in eine andere Welt, die neben ihrer aktuellen Welt entstand. Das Betreten dieser Welt, die nur für sie selbst real wahrnehmbar war verursachte viele Ängste, Fluchttendenzen, Sorgen, Unsicherheiten und Ohnmachtsgefühle. Dies machte sie manchmal aggressiv und manchmal nähe bedürftig.
Als wir, I. (die Tochter) und B. (der Schwiegersohn) in dieser Zeit überraschend schnell einen Platz bei Ihnen bekamen, waren wir sehr, sehr froh und konnten wieder durchatmen. Auch die erste Zeit bei Ihnen, als Brigitte noch „Fluchtversuche“ unternahm und manchmal böse wurde, blieben die Mitarbeiter:innen ruhig und zugewandt. „Ich bin die Brigitte“ sagte meine Mutter und wir sagen doch „Du“! Das haben alle sehr schnell angenommen und sie konnte ihren eigenen Platz im Gefüge des Wohnbereichs Odenwald einnehmen. Viele kleine, wichtige Gespräche durch Sie als professionelle Begleiter:innen von alten Menschen haben ihr Mut gemacht und sie ruhiger werden lassen – zumindest sehr oft!! Der Wohnbereich tat ihr gut. Ja, in Telefonaten meiner Mutter hat sie ihre Bekannten und Verwandten eingeladen auch ins Heim zu kommen: „Das würde dir auch gut tun. Mir geht es sehr gut hier!“ Danke!
Und es gibt etwas sehr Besonderes bei Ihnen: Die hohen, grünen Bäume, die das Haus im Halbkreis schützen!! Diese grünen Bäume sah Brigitte bereits durch das Fenster in ihrem Zimmer und ihre Stimmung und Stimme wurde ruhiger. Später lebte (in ihrer Welt) in diesem Nachbarsgrundstück eine gute Freundin von ihr (die Lisbeth) und kam ab und zu rüber zu ihr … Und noch beruhigender war die Wirkung der hohen grünen Bäume hinter der Terrasse. Sehr oft drehten wir eine Bank dort in Richtung der Bäume, setzten uns und vieles war wieder gut! Und da dort auch ein Pausentreffpunkt für das gesamte Pflegeteam ist, war sie automatisch auch mitten im Geschehen. Eine hohe Anerkennung, wie sie selbst in den Pausen im Alltagpflegeleben mittendrin sein können! Klasse!
Ihr Weg in der anderen Welt wurde immer tiefer und die Hierwelt verlor zusehends an Bedeutung für Brigitte. Ja die Hierwelt wurde eher integriert in ihre Welt. So hatten die Mitbewohner plötzlich Namen, die wir noch aus der Zeit von Brigitte in Linkenheim kennen und auch Sie als Mitarbeiter:innen hatten plötzlich Namen aus dieser Lebenszeit in Linkenheim. Sie berichtete uns ganz stolz von „einer ganz weiten Wanderung an den Rhein und ihr glaubt gar nicht wer dabei war …“ und zeigte auf jemand von Ihnen. Während der erwähnte Mensch schon lange nicht mehr unter uns weilte … Danke auch dafür, dass Sie sich alle mit ihr auf diese Reise begeben haben. Und ihr nie das Gefühl gabt, auf dem Holzweg zu sein. Und dass Sie alle so direkt und herzlich mit ihr sprechen konnten – auch wenn sie manchmal schon ein bisschen sehr direkt sein konnte!! Wir hoffen sie hat niemanden von Ihnen durch ihre direkte Sprache verletzt … ansonsten bitten wir Sie um Entschuldigung.
Die vielen verschiedenen Aktivitäten in Ihrer Einrichtung hat Brigitte, wenn sie für sie selbst gepasst haben (sie konnte auch einfach NEIN sagen) genossen: z. B. das Singen in den Gottesdiensten im Goethesaal, das Plätzchenbacken, das Mitfeiern um nur einige zu nennen. Auch da fanden sich immer Menschen von Ihnen, die diese Aktivitäten unterstützten und verantworteten. Danke! In diesem Zusammenhang fallen mir viele oft lustige Gegebenheiten ein: Sei es wie Sie das Abendessen servieren und Brigitte sagt: „extra für uns heute zubereitet!“ oder wie sie mithelfen darf und in den Alltag integriert wurde. Und was ich als Tochter von Brigitte gelernt habe:
Und Danke auch für die Begleitung von uns! Sei es durch die Führungskräfte oder durch alle Mitarbeiter:innen. Sicher hatten wir unsere Vorstellung von „Pflege, Medizin, Sprechen und Begleiten“ einfach bedingt durch unsere eigene Nähe zu diesen Themen. Wir konnten diese mit einbringen und haben auch hier ein empathisches Gehör gefunden und wurden ernst genommen in den darauf folgenden Handlungen. Danke!
Wir wünschen Ihnen ALLEN noch viele gute und gelingende Begleitungen in ihrer sooo wichtigen Arbeit im Umgang mit Menschen in nicht immer leichten Lebensphasen.
Viel Kraft und viel Freude in dieser merkwürdigen Zeitenwelt, die uns alle gerade umgibt!
Viele Grüße
I. und B. H.
Wiesenbach, im Januar 2022